Der sterbende Detektiv by Leif GW Persson

Der sterbende Detektiv by Leif GW Persson

Autor:Leif GW Persson [Persson, Leif GW]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2012-09-16T16:00:00+00:00


Wieder zu Hause legte er sich auf sein Sofa in seinem Arbeitszimmer und bat Matilda um eine Tasse Kaffee und eine Flasche Mineralwasser. Er fühlte sich fitter als seit langem. Keine Kopfschmerzen, kein Druck auf der Brust. Besser die Gelegenheit nutzen, dachte Johansson und suchte den braunen Umschlag hervor, den ihm Ulrika Stenholm einige Tage zuvor gegeben hatte. Er war für jemanden, der es ruhig angehen und sich nicht stressen sollte, angenehm dünn. Einige Konzertprogramme. Auftritte von Margaretha Sagerlied.

Weihnachtskonzert in der Kirche von Bromma. Standardrepertoire, dachte Johansson, ohne sich eigentlich auszukennen.

Kirchenkonzert in der Kirche von Spånga. Offenbar ein vielfältigeres Programm, dachte Johansson, wobei er darüber auch nicht sonderlich viel wusste.

Mozart im Schlosstheater von Drottningholm. Das wissen doch wohl alle, dachte Johansson, obwohl er dieses Opernhaus nie betreten hatte.

Ein halbes Dutzend Fotos, die jemandem wie ihm gleich viel mehr sagten, da sie etlichen Menschen ein Gesicht gaben, denen er nie begegnet war, mit denen er nie gesprochen hatte und von denen er auch nie ein Bild gesehen hatte.

Ein signiertes Porträtfoto Margaretha Sagerlieds. Eine junge und sehr hübsche Margaretha Sagerlied, laut Stempel des Fotoateliers auf der Rückseite: aufgenommen 1951. Die einzige Erklärung, wie es etliche Jahre später in den Besitz von Ulrika Stenholms Vater geraten konnte, war vermutlich, dass sie es ihm geschenkt hatte. Oder eher ihm und seiner Frau, dachte Johansson. Halbprofil, dunkler Hintergrund, der Kopf zurückgeneigt, halb geschlossene Lider, ein fast spöttisches Lächeln. Eine dramatische Pose, wie es sie ein halbes Jahrhundert später gar nicht mehr gab. Carmen, dachte Johansson. Hat sie sich so gesehen?, überlegte er.

Ein weiteres Foto. »Erstes Krebsessen des Jahres 1970 bei Margaretha und Johan«, las Johansson auf der Rückseite. »Unser Gastgeber Johan, meine liebe Frau Louise, unsere charmante Gastgeberin Margaretha und ich«, las er darunter. Offenbar hat der Pfarrerpapa den Kommentar verfasst, dachte Johansson. Zwei Herren in Smoking flankierten zwei Damen in Abendkleidern, alle mit Papphütchen auf dem Kopf und den breiten Champagnergläsern, die man damals hatte, in der Hand. Fröhliche Gesichter. Wer das Foto wohl aufgenommen hat?, überlegte Johansson. Auch egal, dachte er, da auch der Fotograf, falls es sich wirklich um einen Mann gehandelt hatte, fünfzehn Jahre später zu alt gewesen sein dürfte.

Rechts auf dem Foto ein Mann Anfang siebzig, schütteres Haar, hochrotes Gesicht, groß und breitschultrig, ein jovialer Mann. Neben ihm eine Frau, die halb so alt aussah und die Zwillingsschwester von Johanssons Neurologin hätte sein können. Dann die charmante Gastgeberin, die auf dem Foto zehn Jahre jünger wirkte als die sechsundfünfzig, die sie der Jahreszahl nach alt sein musste. Sie war einen Kopf größer als Ulrika Stenholms Mama und lächelte strahlend in die Kameralinse, hob ihr Glas und legte ihren linken Arm um die Taille ihres Kavaliers. Der Pfarrerpapa, dachte Johansson. Mager, schütteres Haar, offenes Gesicht, gleichmäßige Gesichtszüge, ein freundliches, fast schüchternes Lächeln. Ein kluger und guter Mensch, nach seinem Aussehen zu urteilen. Vielleicht etwas verlegen wegen des Arms um seine Taille, dachte Johansson und legte das Foto in dem Augenblick beiseite, als sein Handy klingelte.

»Johansson«, sagte Johansson, der, seit er in Rente war, meist seinen Nachnamen nannte, statt wie früher den Anrufer gleich anzuschnauzen.



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